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#RespectWork | Projektbeschreibung

STRIKE

Selbstgesteuerte Trainingsansätze zur Steigerung der emotionalen Resilienz in schwierigen Interaktionen mit Kunden

Problemstellung

Beschäftigte im Einzelhandel sehen sich immer häufiger mit anspruchsvollen und herausfordernden Kundeninteraktionen konfrontiert, die oft durch äußere Umstände wie globale Krisen oder gesellschaftliche Entwicklungen verstärkt werden. Der COVID-19-Pandemie folgten weitere tiefgreifende Krisen wie der Ukraine-Krieg, die Energiekrise und eine steigende Inflation. Diese Entwicklungen haben nicht nur das allgemeine Frustrationspotenzial in der Bevölkerung erhöht, sondern auch das Verhalten der Kund*innen im Einzelhandel verändert. Studien und Berichte zeigen, dass es vermehrt zu Situationen kommt, in denen Kund*innen respektlos, ungeduldig oder sogar aggressiv reagieren. Diese Verhaltensweisen üben enormen Druck auf die Beschäftigten aus, die in ihrer beruflichen Rolle oft dazu gezwungen sind, solche negativen Interaktionen zu bewältigen, ohne dabei ihre eigene emotionale Stabilität zu verlieren.

Emotionsarbeit: Inneres Erleben vs. positive Professionalität

Die Anforderungen, in angespannten Interaktionen immer freundlich und professionell zu bleiben, wird als Emotionsarbeit bezeichnet. Sie bedeutet, dass Beschäftigte ihre tatsächlichen Gefühle – wie Frustration, Ärger oder Angst – unterdrücken und nach außen hin eine positive Haltung einnehmen müssen, unabhängig von ihrem inneren Erleben. Diese dauerhafte emotionale Kontrolle ist belastend und kann auf lange Sicht zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, wie Stress, Erschöpfung, Schlafstörungen oder psychosomatischen Beschwerden führen.

 

Gesundheitliche Beeinträchtigungen:
Höheres Stresslevel und niedrige Arbeitszufriedenheit

Der Zusammenhang zwischen Emotionsarbeit und gesundheitlichen Problemen ist gut dokumentiert: Beschäftigte, die regelmäßig starkes emotionales Engagement zeigen müssen, berichten häufig von höherem Stresslevel und niedrigerer Arbeitszufriedenheit. Auch das Risiko für psychische Erkrankungen wie Burnout oder Depressionen steigt. Hinzu kommt, dass viele Beschäftigte im Einzelhandel – besonders in kleinen und mittleren Unternehmen – keine ausreichende Unterstützung durch ihre Arbeitgebenden erhalten, um mit diesen Belastungen umzugehen. Unternehmen fehlt es oftmals an den finanziellen und strukturellen Ressourcen, um entsprechende Schulungs- und Unterstützungsangebote bereitzustellen. Besonders betroffen sind dabei Mitarbeitende mit geringeren Qualifikationen, Teilzeitbeschäftigte oder Personen mit Migrationshintergrund, die anfälliger für die negativen Folgen von Emotionsarbeit sind. Auch fehlt es an einem grundlegenden Bewusstsein dafür, dass Emotionsarbeit als Belastungsfaktor erkannt und aktiv gestaltet werden muss.

Diese Problematik führt nicht nur zu einer Abwärtsspirale in Bezug auf die Gesundheit der Beschäftigten, sondern hat auch langfristig negative Auswirkungen auf die gesamte Branche des Einzelhandels, die mit ca. 300.000 Unternehmen, gut 480 Mrd. Euro Jahresumsatz, knapp drei Mio. Beschäftigten und etwa 160.000 Auszubildenden der drittgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland ist. Übermäßiger Stress und die damit verbundenen gesundheitlichen Folgen führen zu einem Anstieg der Fehlzeiten und einer höheren Fluktuationsrate. Beschäftigte, die diese Belastungen nicht mehr bewältigen können, entscheiden sich häufig, die Branche zu verlassen, was die Personalprobleme im Einzelhandel weiter verschärft. Da sich bereits heute viele Unternehmen schwertun, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten, verschärft diese Entwicklung den Fachkräftemangel und gefährdet die Zukunftsfähigkeit der Branche.

 

Strukturelle Herausforderungen des Einzelhandels

Die Bewältigung von Emotionsarbeit ist somit nicht nur ein individuelles Problem der Beschäftigten, sondern eine strukturelle Herausforderung für den gesamten Einzelhandel. Trotz der offensichtlichen Notwendigkeit gibt es jedoch kaum gezielte Weiterbildungsangebote, die den spezifischen Anforderungen der Emotionsarbeit im Einzelhandel gerecht werden. Die meisten bestehenden Trainings sind auf allgemeine Kommunikations- oder Konfliktmanagementstrategien ausgerichtet und berücksichtigen nicht die hohen emotionalen Anforderungen, die in der Interaktion mit Kund*innen bestehen. Dies zeigt, dass ein erheblicher Bedarf an gezielten Schulungsmaßnahmen zur Stärkung der emotionalen Resilienz besteht, die sowohl die Beschäftigten in ihrer psychischen Gesundheit unterstützen als auch den langfristigen Erfolg der Unternehmen sichern können.

 

Idee

Daraus resultierend verfolgt das Projekt „STRIKE“ das Ziel, die emotionale Resilienz von Beschäftigten im Einzelhandel zu fördern, ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation in herausfordernden Kund*innen-Interaktionen zu verbessern und in stressreichen Situationen ihre eigene emotionale Stabilität zu bewahren und gesund zu bleiben. Gleichzeitig sollen die betrieblichen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass sie die Beschäftigten in ihrer Emotionsarbeit aktiv unterstützen.

Da verhältnisbasierte Gestaltungsansätze – wie etwa die Veränderung der Arbeitsumgebung oder der internen Kommunikation – nur begrenzte Wirkung auf die emotionale Belastung der Beschäftigten haben, sind verhaltensbezogene Maßnahmen wie gezielte Weiterbildungen von zentraler Bedeutung. Der Einzelhandel verfügt bisher kaum über verankerte Weiterbildungskonzepte „on-the-job“, die speziell auf die Förderung der Emotionsarbeitskompetenzen abzielen. Dabei ist die Emotionsarbeit ein wesentlicher Faktor, der nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten beeinflusst, sondern auch die Kundenzufriedenheit und -loyalität maßgeblich bestimmt.

 

Förderung der Kompetenzen im Umgang mit eigenen und fremden Emotionen

Um diesem Defizit zu begegnen, wird im Projekt „STRIKE“ ein praxisnahes Weiterbildungskonzept entwickelt, das moderne didaktische Methoden integriert und auf aktuellen wissenschaftlichen sowie empirischen Erkenntnissen basiert. In enger Zusammenarbeit von Wissenschaft, Weiterbildung, Sozialpartnern und Unternehmen entsteht ein niederschwelliges Schulungsangebot, das die Beschäftigten dabei unterstützt, ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation zu verbessern. Dabei geht es nicht nur um den Umgang mit eigenen Emotionen, sondern auch um die Wahrnehmung und Steuerung von Emotionen in der Interaktion mit Kund*innen. Die Schulungen sollen die Beschäftigten befähigen, stressreiche Situationen besser zu meistern und emotional stabil zu bleiben. Die Inhalte umfassen Strategien zur Emotionsregulation, den Umgang mit emotional schwierigen Kund*innen und die Förderung der eigenen Widerstandsfähigkeit.

 

Folgende Fragen stehen im Mittelpunkt des Projekts:

  • Wie können Beschäftigte lernen, mit aggressiven oder respektlosen Kund*innen umzugehen, ohne dass dies zu Lasten ihrer Gesundheit geht?
  • Wie können Beschäftigte lernen, ihre eigenen Emotionen in schwierigen Kundeninteraktionen besser zu verstehen und zu regulieren?
  • Wie können Führungskräfte dazu beitragen, dass ihre Mitarbeitenden emotional gestärkt werden?
  • Welche Strategien zur Emotionsbewältigung können im Arbeitsalltag konkret angewendet werden?
  • Wie können Schulungen und Weiterbildung in den Arbeitsalltag integriert werden, um langfristige Verhaltensänderungen zu fördern?

 

Durch die Bearbeitung dieser drängenden Fragen wird das Projekt „STRIKE“ einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der emotionalen Resilienz und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Einzelhandel leisten. Das entwickelte Weiterbildungskonzept bietet Beschäftigten und Unternehmen ein Instrument, das die individuellen und betrieblichen Anforderungen gleichermaßen adressiert und somit die Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis schafft.

 

Vorgehen

Didaktisch setzt das Projekt auf die Entwicklung eines hybriden Weiterbildungskonzepts, das sowohl Online- als auch Präsenzformate kombiniert. Die Schulungsinhalte werden in Form von Massive Open Online Courses (MOOCs) bereitgestellt, um eine flexible und ortsunabhängige Teilnahme zu ermöglichen. Jeder MOOC umfasst sechs Einheiten, die sich intensiv mit den zentralen Themen „Emotionsarbeit“, „Emotionsregulation“, „Umgang mit schwierigen Kund*innen“ und „Stressbewältigung“ befassen. Die Einheiten bestehen aus Video- und Audioformaten, Interviews mit Expert*innen sowie praktischen Anwendungsbeispielen. Die Schulungsinhalte sind modular aufgebaut und ermöglichen es den Beschäftigten, je nach individuellem Bedarf einzelne Module unabhängig voneinander zu absolvieren.

Die sechs MOOC-Einheiten decken folgende Themen ab:

1. Kennenlernen des Konzepts Emotionsarbeit

Diese Einheit vermittelt eine grundlegende Einführung in das Thema Emotionsarbeit und beleuchtet, welche Rolle Emotionen in der Interaktion mit Kund*innen spielen und welche Anforderungen dabei an die Beschäftigten gestellt werden.

2. Anforderungen im Arbeitsalltag, bestimmte Emotionen zu zeigen, zu unterdrücken oder zu empfinden

Hier wird erläutert, warum es notwendig sein kann, in bestimmten Situationen positive Emotionen zu zeigen, auch wenn negative Gefühle empfunden werden. Die Teilnehmenden lernen, die Auswirkungen dieser Emotionsarbeit auf ihr Wohlbefinden und ihre Leistungsfähigkeit zu verstehen.

3. Rolle der Persönlichkeit der Beschäftigten

In dieser Einheit wird die Bedeutung individueller Persönlichkeitsmerkmale wie Empathie und Stressresistenz untersucht. Die Teilnehmenden reflektieren, wie ihre eigene Persönlichkeit die Art und Weise beeinflusst, wie sie mit stressigen und emotional herausfordernden Situationen umgehen.

4. Emotionsregulationsstrategien

Diese Einheit behandelt verschiedene Strategien zur Emotionsregulation, wie beispielsweise kognitive Umstrukturierung und das Entwickeln einer positiven Einstellung. Ziel ist es, den Beschäftigten Werkzeuge an die Hand zu geben, die ihnen helfen, ihre Emotionen in schwierigen Situationen effektiv zu steuern.

5. Emotionsregulation unter Stress und mit schwierigen Kund*innen

Die Teilnehmenden, ihre Emotionsregulation auch unter Stress aufrechtzuerhalten. Anhand von Beispielen aus dem Arbeitsalltag im Einzelhandel werden Techniken vermittelt, die helfen, in herausfordernden Situationen Ruhe zu bewahren und konstruktiv zu reagieren.

6. Umgang mit den Folgen der Emotionsarbeit

Diese Einheit fokussiert sich auf die langfristigen Auswirkungen von Emotionsarbeit, wie emotionale Erschöpfung und Stress. Die Teilnehmenden lernen, Warnzeichen frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ihre eigene psychische Gesundheit zu schützen und einer emotionalen Erschöpfung vorzubeugen.

Zusätzlich wird eine Begleitlektüre entwickelt, die Reflexionseinheiten, Selbsttests und Handlungsempfehlungen beinhaltet. Diese sollen die Beschäftigten bei der Übertragung der theoretischen Inhalte in ihren Arbeitsalltag unterstützen.

Um den individuellen Weiterbildungsbedarf zu ermitteln, wird ein Selbstcheck entwickelt, der den Teilnehmenden Empfehlungen für die passenden Schulungseinheiten gibt.

Nach Abschluss der Schulungen werden regelmäßig kurze Refresher-Einheiten angeboten, um den Lernerfolg zu sichern und die Anwendung der erlernten Strategien im Alltag zu stärken.

Das didaktische Konzept verbindet die Theorie der Emotionsarbeit mit praktischen Übungen und realen Beispielen aus dem Arbeitsalltag im Einzelhandel. Dadurch wird eine hohe Praxisrelevanz erreicht, und die Teilnehmenden können das Erlernte direkt in ihrer täglichen Arbeit umsetzen.

Angestrebte Ergebnisse und Wirkungen

Das Projekt „STRIKE“ verfolgt das Ziel, ein flexibel zugängliches und praxisorientiertes Weiterbildungskonzept zur Emotionsarbeit zu entwickeln, das auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert und sich gezielt an die besonderen Bedürfnisse von Beschäftigten im Einzelhandel richtet.

Die Schulungskonzepte werden in enger Zusammenarbeit mit den Projektpartner*innen entwickelt und regelmäßig evaluiert, um eine hohe Qualität und Praxisrelevanz zu gewährleisten. Die kontinuierliche Evaluation ermöglicht es, den Lernerfolg und die Wirkung der Maßnahmen auf die Arbeitszufriedenheit und das psychische Wohlbefinden der Beschäftigten systematisch zu überprüfen und bei Bedarf Anpassungen vorzunehmen.

Langfristig sollen die Schulungen dazu beitragen, die psychische Belastung der Beschäftigten zu reduzieren und die Arbeitszufriedenheit sowie die Motivation im Arbeitsalltag zu steigern. Dadurch wird erwartet, dass sich Fehlzeiten und Fluktuation verringern, was zu einer höheren Stabilität und Effizienz in den Unternehmen beiträgt.

Die Evaluierung der Schulungsmaßnahmen und die Entwicklung eines theoretisch fundierten sowie praktisch erprobten Modells sollen darüber hinaus als Referenz für ähnliche Weiterbildungsinitiativen in anderen Branchen dienen, in denen Emotionsarbeit eine zentrale Rolle spielt.

„STRIKE“ leistet somit einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Emotionsarbeitskompetenzen der Beschäftigten und trägt zur langfristigen Fachkräftesicherung im Einzelhandel bei. Es schafft nicht nur ein bedarfsgerechtes Weiterbildungsangebot für Unternehmen, sondern fördert auch die persönliche und berufliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden.

Verbund

Der Handelsverband Nordrhein-Westfalen übernimmt die Konsortialführung und sorgt für die Sicherstellung der Praxisfähigkeit der entwickelten Konzepte, u.a. durch die Institutionalisierung eines Praxiskreises aus Unternehmen.

Die Deutsche Angestellten-Akademie verantwortet schwerpunktmäßig alle Arbeiten, die mit der Konzeption und Erstellung des Lernmaterials in Verbindung stehen.

Die Ruhr-Universität Bochum übernimmt im wissenschaftlichen Rahmen schwerpunktmäßig die Konzeption der MOOC-Einheiten sowie die Evaluation.

Projektdaten

Name: STRIKE – Selbstgesteuerte Trainingsansätze zur Steigerung der emotionalen Resilienz in schwierigen Interaktionen mit Kunden und zur Verbesserung der Emotionsarbeit im Einzelhandel

Konsortialführung: Handelsverband Nordrhein-Westfalen Westfalen-Münsterland e.V.

Partnerstruktur: Deutsche Angestellten-Akademie DAA NRW, Ruhr-Universität Bochum

Laufzeit: 01.10.2024 – 30.09.2027

Förderkennzeichen: VA8655798

Gefördert durch: Bundesministerium für Arbeit und Soziales und Europäische Union, Europäischer Sozialfonds plus